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Die Wissenschaft hat noch kein Gerät erfunden, das die Katastrophen aufspüren kann, ...

  • Foto del escritor: sylviahatzl
    sylviahatzl
  • 21 ago 2022
  • 4 Min. de lectura

... die der Mensch in seinem Kopf trägt. – Amma


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Nach einigen weiteren Folgen der koreanischen Serie muß ich sagen, ungeachtet der für meinen Geschmack manchmal recht albernen Aufmachung ist sie wirklich hervorragend. Die Macher haben nicht die geringste Scheu davor, Themen aufzugreifen, die richtig heiße Eisen sind, und nicht nur in Korea. Sei es häusliche Gewalt, Diskriminierung einzelner Gesellschaftsgruppen, oder auch die Frage, ob ein Mensch mit einer geistigen Behinderung, also intellektuellen Behinderung, nicht auch das Recht auf Liebe und Beziehung hat… bis hin zu einem Moment, in dem der junge Mann, der schwer in die autistische Anwältin verliebt ist, und sie in ihn, und sie kommen auch zusammen… und eines Abends geht er mit alten Freunden aus und einer sagt zu ihm, er wäre auch mal mit “so einer” zusammen gewesen. Das sei nicht Liebe. Das sei “Mitleid”. Da ist mir schon für einen Moment kurz das Herz stehen geblieben.


In einer anderen Folge spricht ein Kollege gegenüber einer anderen Kollegin ganz klar und deutlich seine Einschätzung der autistischen Neuen aus (die ja auch hochintelligent ist und summa cum laude ihr Studium bestanden hat, das ist wichtig): “Täusch dich nicht! Die ist nicht jene, die Schutz braucht! Die ist besser als wir alle miteinander!” Dieser junge Mann ist von wildem Neid und geradezu Haß auf die autistische Kollegin erfüllt – weil sie ihm intellektuell (und auch charakterlich) haushoch überlegen ist.


Und dies ist etwas, womit ich auch mein ganzes Leben konfrontiert war, den Anfang macht hier mein eigener Vater, der, je älter ich wurde, mit sexistischer und aller möglichen anderen Abwertung und Verhöhnung nicht hinter dem Berg hielt. Dann kamen Lehrer… Dozenten… Kollegen und Vorgesetzte… bis hin zu Ehemännern, die glauben, einen Feind, den man nicht besiegen kann, müsse man sich zum Freund machen… Ja, dies wurde mir über dieses Sprichwort tatsächlich bestätigt.


Als es schon zu spät war und die Situation unrettbar geworden war. Diese Geschichte ist eines der größten Schockerlebnisse meines Lebens, und ich sehe heute die Lektion darin, die “Stimme der Intuition” und die “Stimme des Trauma” unterscheiden zu lernen. Meine erste Therapeutin von vor über 15 Jahren, als Autismus noch nicht im Entferntesten das Thema war, hat schon recht am Anfang unserer Therapie einmal zu mir gesagt, im Zusammenhang damit, daß ich mir meiner Ausstrahlung und Wirkung nicht bewußt sei: “Ich könnte mir vorstellen, daß du einen Raum betrittst und noch bevor du überhaupt etwas gesagt hast, manche Leute dich schon als Feind wahrnehmen!” Meine jetzige Therapeutin hat es deutlich charmanter und mit einem Lächeln formuliert: “Das ist der Sylvia-Effekt!”


Mir wurde im Ashram einmal gesagt, ich solle und dürfe aufhören, ständig gegen alles und jeden zu kämpfen, ständig hinter jedem Busch Feinde zu sehen…


Rückblickend würde ich heute darauf sagen wollen: ich habe nicht damit angefangen.


Anwältin Woo ist für mich jemand, mit der ich mich wirklich sehr identifzieren kann. Sie ist kein 16-jähriger Junge mit einer Therapeutin und einer überbeschützenden Mutter, wie in “Atypical”, sondern eine erwachsene Frau, die außer einem liebenden Vater und ein paar Freunden auf sich alleine gestellt ist. Natürlich wird ihr Autismus übertrieben dargestellt (warum geht sie so komisch?? Aber gut, als ich in Japan lebte, haben mich die Amerikaner und Kanadier auch gerne ausgelacht: “Na klar! Die Deutschen können nicht gehen, sie marschieren!!” und auch anderswo ist mir das öfter mal gesagt worden. Es gibt ein Foto von Amma von vor einigen Jahren, darauf bin ich auch zu sehen – stocksteif wie ein Soldat stehe ich da und klammere mich am Riemen meiner Tasche fest… was ich auch beim Präsenz-Termin im Domus Institut gemacht habe, und das ist prompt in die Diagnose eingeflossen!… Seither achte ich sehr auf meine Haltung und meinen Gang und gehe oft betont langsam… was wiederum die Mama daheim nervt: “Meine Güte, bist du vielleicht langsam!!”), mir persönlich merkt man erst einmal überhaupt nichts an. Aber was gäbe es schon “mir anzusehen” außer einer Bestätigung von Vorurteilen? Als ich noch ein Kind war, war das auch noch ein bißchen anders, ich wurde Zappelphilipp genannt und dafür geschimpft, sowohl in der Schule als auch zuhause, um nur eines zu nennen, was den Erwachsenen mißfiel.


Aber was in Woo vorgeht, kann ich nur zu gut nachvollziehen, sei es die Drehtür… oder die Frage, ob sie und ihr Freund denn nun auch wirklich zusammen seien, denn sie hätten das ja noch nicht wirklich besprochen… Akiko und ich hatten einen nicht unähnlichen Moment…


Und einmal hat Woo auf offener Straße einen Meltdown, weil vor ihren Augen ein schrecklicher Unfall passiert ist. Sie haut sich mit den Händen gegen den Kopf. Ich… ich verliere die Nerven und fange vielleicht an zu schreien. Das habe ich als Kind schon und es passiert mir auch jetzt noch gelegentlich. Es wirkt immer wie ein Tobsuchtsanfall.


Ihr Freund sieht es und rennt zu ihr, um sie von hinten zu umarmen. Und sie sagt nur: “Fester! Fester!!” Und er drückt zu.


Ja… dieses fest umarmt und gedrückt werden… es ist noch nicht lange her, daß mir dies klar geworden ist, aber jetzt weiß ich es.


Es gelingt dieser Serie wirklich, sowohl das Erleben der autistischen jungen Frau zu erfassen, wie auch ihr neurotypisches Umfeld, für das sie nur all zu oft ein Rätsel ist… und das auf eine durchaus humorvolle und auch sehr liebevolle Art.

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